02.06
2020

„Wichtig ist: Was können wir selbst tun?“

Jugendliche können die Einschränkungen der Coronakrise besonders treffen, vor allem bei schwierigen Familienverhältnissen. Jeannette Schmidt, Leiterin der RPK-Jugendwohngruppen in Karlsbad-Langensteinbach, erzählt, was jetzt hilft.

Wenig Ablenkung, viel Zeit zu Hause auf engem Raum: Als wäre die Pubertät nicht genug, birgt die Coronakrise für Jugendliche zusätzlichen Stress. Kommen Schwierigkeiten in der Familie hinzu, kann das Leben in einer Wohngruppe helfen. In Karlsbad-Langensteinbach unterstützt die Rehaeinrichtung für psychisch Kranke (RPK) der SRH Jugendliche dabei, selbstständig ihren Alltag zu gestalten. Leiterin Jeannette Schmidt erzählt im Interview, was dabei jetzt wichtig ist und wie eine Krise Beziehungen stärken kann.

Frau Schmidt, Treffen im Freundeskreis und gemeinsame Unternehmungen fehlen den Jugendlichen bestimmt. Wie gehen sie damit um?

Die Jugendlichen machen das Beste daraus: Während der strengen Ausgangsbeschränkungen kamen die Eltern zu Besuch und sind mit ihren Kindern in Zweiergruppen spazieren gegangen. So entstand in den Familien zum Teil eine neue Gesprächs- und Wanderkultur, die dafür gesorgt hat, dass die Beziehungen zu den Eltern sogar stärker geworden sind. Trotzdem fehlen Freunde, die Besucher, die mal aufs Zimmer dürfen oder der kleine Ausflug in die Stadt. Das Leben der Jugendlichen spielt sich verstärkt zwischen der Wohngruppe und der Kernfamilie ab.

Wie wurde diese Zeit genutzt?

Beim Sport an der frischen Luft, immer mit Abstand natürlich. Andere haben ein Kreativprojekt gestartet, um die Wohnräume zu verschönern, oder Übungen zum Teambuilding entwickelt.

Gerade wenn man als Familie viel mehr als sonst zusammen ist, droht irgendwann der Lagerkoller. Was hilft dagegen?

Wir zeigen den Jugendlichen, dass es wichtig ist, auf seine Grenzen zu achten und Räume für den Rückzug zu schaffen. Das heißt, wir haben gezielte Ruhezonen eingerichtet, wo man Zeit für sich hat oder sich auch mal als kleine Gruppe zurückziehen kann.

Die momentane Situation verunsichert viele Menschen. Welche Strategien helfen den Jugendlichen, die ja schon psychisch belastet sind?

Wir müssen die Ängste ernst nehmen, ohne sie zu verstärken. Das heißt, wir klären ganz viel im Hier und Jetzt: Welche Entwicklungen sind für unseren Alltag wichtig? Wann es weitere Lockerungen gibt, wissen wir nicht. Stattdessen schauen wir, was wir trotz der Einschränkungen gemeinsam unternehmen. So bleiben wir bei dem, was wir selbst beeinflussen können. Das holt alle schnell wieder auf den Boden, wenn die Diskussion zum Beispiel darum kreist, welche Einschränkungen sinnvoll sind und welche nicht.

Wie gehen Sie mit Unsicherheiten um?

In unseren wöchentlichen Gruppenbesprechungen stellen die Jugendlichen Fragen und lassen sich Coronathemen erklären. Sie hinterfragen bei manchen Themen kritisch, aber gehen insgesamt sehr kooperativ mit den neuen Regeln um. Trotzdem fällt manches schwer: Ans Tragen der Masken im Treppenhaus und in Nachbargebäuden denken sie nicht immer. Und durch die viele Zeit in der Wohngruppe fehlen ungestörte Momente. Wir lernen mit den Jugendlichen: Wichtig ist, das Anliegen nach Ruhe und Rückzug zu thematisieren und für sich selbst zu sorgen.

Welche Lösungen werden Ihnen auch nach der Krise helfen?

Die noch klareren Absprachen: Was ist möglich, was nicht, wie gehen das Team und die Jugendlichen damit gut um? Für die Mitarbeiter bedeutet die Situation mehr Achtsamkeit, wie es ihnen persönlich geht. Das heißt auch, Ruhe zu suchen, wenn nötig, um nach der Arbeit abschalten zu können.

Auf was freuen Sie sich mit den Jugendlichen am meisten?

Wenn wieder mehr Sport und gemeinsame Aktivitäten möglich sind. Und wir halten die Hoffnung und Vorfreude hoch auf unseren Gruppenurlaub im Herbst!

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